Beschluss vom 20.08.2025 -
BVerwG 1 B 9.25ECLI:DE:BVerwG:2025:200825B1B9.25.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 20.08.2025 - 1 B 9.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:200825B1B9.25.0]
Beschluss
BVerwG 1 B 9.25
- VG Freiburg - 17.11.2023 - AZ: A 10 K 1193/22
- VGH Mannheim - 13.03.2025 - AZ: A 12 S 48/25
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 20. August 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dollinger und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fenzl beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. März 2025 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und einen Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 1. Die Revision ist nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
3 a) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 3 m. w. N.).
4
b) Danach rechtfertigen die von der Beschwerde aufgeworfenen beiden Fragen,
"ob tatsächlich eine gesetzliche Regelungslücke bezüglich der Begründung der zugelassenen Berufung nach AsylG besteht, sodass der § 124a Abs. 6 S. 1 VwGO im Asylverfahren bzw. -prozess zwingend Anwendung findet" und
"ob die fehlende Begründung der zugelassenen Berufung zu den Rechtsfolgen nach § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO zur Verwerfung der Berufung als unzulässig führt oder ob das Oberverwaltungsgericht nach § 79 Abs. 1 AsylG zu verfahren hat und gegebenenfalls [...] die zugelassene Berufung allenfalls als unbegründet abweist",
nicht die Zulassung der Revision, weil sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt sind.
5 So verhält es sich zunächst hinsichtlich der ersten, auf die Anwendbarkeit des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO im Asylprozess bezogenen Frage. Das in der Verwaltungsgerichtsordnung kodifizierte allgemeine Verwaltungsprozessrecht gilt grundsätzlich auch für asylrechtliche Streitigkeiten, soweit nicht die Vorschriften des Asylgesetzes über das Gerichtsverfahren als speziellere Normen etwas anderes vorsehen. Dies ist in Bezug auf das Erfordernis der Berufungsbegründung nicht der Fall. § 78 Abs. 2 bis 5 AsylG regelt lediglich das Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung sowie die Form und Rechtswirkungen der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Zulassung. Abgesehen von der mit § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO übereinstimmenden Bestimmung des § 78 Abs. 5 Satz 3 AsylG enthält § 78 AsylG keine Regelung über das weitere Berufungsverfahren und insbesondere auch nicht über die Berufungsbegründung. Hinsichtlich dieser Frage ist deshalb - ebenso wie hinsichtlich der übrigen allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen - auch in Asylverfahren auf die jeweils geltenden einschlägigen Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 - 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 <118 f.>). Hierzu gehören auch die Regelungen über die Begründung einer zugelassenen Berufung in § 124a Abs. 3 und 6 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. August 2016 - 1 B 79.16 - juris Rn. 3 m. w. N.).
6 Die zweite von der Beschwerde aufgeworfene Frage betrifft die Rechtsfolge einer unterbliebenen Berufungsbegründung, die ebenfalls bereits geklärt ist. In einem derartigen Fall ist die Berufung nach § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig zu verwerfen. Dies folgt insbesondere aus dem Zweck der Berufungsbegründungspflicht. Sie kann nur dann zu der angestrebten Verkürzung und Beschleunigung der Verfahren durch Entlastung der Berufungsgerichte beitragen, wenn sie es dem Berufungsgericht ermöglicht, anhand klarer prozessualer Kriterien, nämlich des Ausbleibens eines fristgerechten Begründungsschriftsatzes, ohne weitere Prüfung die Berufung gemäß § 125 Abs. 2 VwGO zu verwerfen. Dies wäre aber nicht mehr der Fall, wenn das Gericht hierfür regelmäßig auch noch das Vorbringen im Zulassungsverfahren auf seine Eignung für die Begründung der Berufung hin sichten und beurteilen müsste (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 - 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 <121 f.>).
7 Einen erneuten oder weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde zu beiden Fragen nicht auf. Er ergibt sich auch nicht aus der von der Beschwerde erwähnten, aber nicht die Berufungsbegründungspflicht regelnden Vorschrift des § 79 AsylG.
8 2. Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg beruht auch auf keinem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
9 Die Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Beschlusses ist entgegen der Auffassung der Beschwerde ordnungsgemäß. Sie knüpft an die unter 1. dargelegte Notwendigkeit einer Berufungsbegründung an und entspricht daher den Vorgaben des § 58 Abs. 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 - 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 <122 f.>).
10 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.